Bildungsträger für Vielfalt und Toleranz
Gemeinsamer Ansatz für die politische Bildung
Nicht nur mit den Kommunalwahlen am 11. September ist wieder deutlich geworden: Fremdenfeindliche, autoritäre und antiliberale Einstellungen sind in der Gesellschaft weit verbreitet und werden zunehmend offen geäußert. Diese Situation ist nicht zuletzt eine Herausforderung für die Politische Bildung. Das Land Niedersachsen reagiert darauf beispielsweise mit der Wiedereinrichtung der Landeszentrale für politische Bildung. Doch der größte Teil der Arbeit geschieht vor Ort.
Die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Göttingen ist ein seit März 2015 bestehendes gemeinsames Projekt von Landkreis und Bildungsgenossenschaft, das zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratiebildung fördert. Finanziert wird das Projekt durch das Bundesfamilienministerium und den Landkreis. Durch die Beteiligung der Bildungsgenossenschaft rückt in Göttingen auch die Rolle der Politischen Bildung in den Fokus und damit jene Träger, deren selbst- oder gesetzlich gesetzter Aufgabe die politische Bildung ist. Am 13. September 2016 hat sich unter dem Dach der Bildungsgenossenschaft – auf Initiative der Ländlichen Erwachsenenbildung – zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe von Bildungsträgern getroffen, die sich gemeinsam der aktuellen Herausforderung stellen wollen.
Politische Bildung ist kein „leicht zu verkaufendes“ Produkt. Man stelle sich die Frage: Was habe ich konkret davon, die Funktionsweise der Demokratie zu verstehen oder die Geschichte der Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges zu kennen? Eben. Oft tritt der individuelle Nutzen deutlich hinter den gesellschaftlichen Nutzen zurück. Daraus folgt einerseits, dass die Finanzierung politischer Bildung auf absehbare Zeit in erster Linie eine öffentliche Aufgabe ist, die nicht zum Spielball der parteipolitischen Auseinandersetzung werden darf. Zweitens bedeutet es auch, dass eine besondere Herausforderung der politischen Bildung die Erreichung der Zielgruppen ist – zumindest wenn man nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ erreichen will, die sich für ein bestimmtes Thema ohnehin interessieren.
Zum Beispiel: Natürlich sind Betriebsrätinnen und Betriebsräte die Hauptzielgruppe für Seminare zu Arbeitnehmerrechten – aber wäre es nicht zu wünschen, dass alle Beschäftigten hier zumindest Grundkenntnisse haben. Oder dass sich auch Vorgesetzte damit beschäftigen, warum betriebliche Mitbestimmung eine gute Sache sein kann? Oder ein anderes Beispiel: Natürlich sind Kommunalpolitiker und Politikwissenschaftler diejenigen, die zuerst wissen müssen, wie das politische System auf lokaler Ebene funktioniert. Aber wäre dieses Wissen nicht auch für Bürgerinnen und Bürger interessant, die sich z.B. als Bürgerinitiativen in den politischen Prozess einbringen wollen? Viele weitere Beispiele wären zu nennen.
Aber wie komme ich z.B. mit einem Seminar zu Geschlechterrollen und sexueller Vielfalt an die Berufsschulen? Wie erfahren lokale Initiativen davon, dass es Schulungen gibt, die sie fit für die Auseinandersetzung mit rechten Stammtischparolen machen? Nahe liegt der Ansatz, die Ressourcen – und Zielgruppenkontakte – zu bündeln . Genau dies ist das Ziel. Die beteiligten Bildungsträger wollen zunächst ein und ein gemeinsames Dach für Angebote zur politischen Bildung schaffen, deren gemeinsames Merkmal es ist, dass sie nach Bedarf durchgeführt und an die jeweilige Situation angepasst werden können. Diese „Bestellseminare“ könnten perspektivisch z.B. als Fortbildungen für Engagierte in der Zivilgesellschaft wie für pädagogische Fachkräfte fungieren – oder zu Unterrichtseinheiten an Schulen und Einrichtungen der beruflichen Bildung entwickelt werden.
Im nächsten Schritt sollen die Konzepte und Ideen der Bildungsträger zusammengetragen werden, um hieraus ein gemeinsames Programm zu entwickeln. Dazu ist ein Folgetreffen am 8. November geplant.