Bilanzkonferenz des Projekts FairBleib Südniedersachsen
Integration als Erfolgsgeschichte
Göttingen, 27. Januar 2014 Auf einer Fachkonferenz am Montag, den 20. Januar 2014, hat das Netzwerkprojekt FairBleib Südniedersachsen eine positive Bilanz seiner Projektarbeit gezogen. Knapp 100 geladene Gäste aus Politik, Verwaltung und Integrationsarbeit nahmen an der vierstündigen Veranstaltung im Ratssaal der Stadt Göttingen teil. Freie Platzwahl hatten sie nicht: Zur Veranschaulichung der Situation von Flüchtlingen wurde Ihnen zu Beginn der Veranstaltung jeweils ein Aufenthaltsstatus und ein fester Aufenthaltsbereich zugewiesen.
Redner und Gäste zogen ein durchweg positives Fazit der fünf Projektjahre: Für die 588 Teilnehmer des Projektes habe sich eine Perspektive auf Arbeit, einen gesicherten Aufenthalt und gesellschaftliche Integration eröffnet. Seit 2009 habe das Projekt dem Staat auf diese Weise nach Abzug aller Projektkosten über 400 000 € allein an Sozialleistungen gespart.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung hob Stadträtin Dr. Dagmar Schlapeit-Beck in ihrer Begrüßungsrede den Erfolg des Projektes hervor. Gerade im Zusammenhang der absehbaren integrationspolitischen Herausforderungen durch die steigende Zuwanderung sei eine Zusammenarbeit von öffentlichen Stellen und freien Trägern auch in Zukunft erforderlich.
Barbara Schmidt, zuständige Programmleitung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, stellte die Ergebnisse des „ESF-Bundesprogramms zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt“ dar und beschrieb Förderperspektiven für die kommenden Jahre. Nach Ende der aktuellen ESF-Förderperiode hätten alle Projektverbünde in der nächsten Periode erneut die Gelegenheit, sich zu bewerben.
Christina Hammer von der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen eG (BIGS) konnte als regionale Projektleiterin die Erfolgsbilanz mit Zahlen hinterlegen: Von insgesamt 588 erreichten Personen (davon 35% unter 25 Jahren), hatten 267 Ende 2013 eine Arbeit gefunden oder nahmen an einer Qualifizierungsmaßnahme teil. Dadurch konnte in vielen Fällen auch der Aufenthaltsstatus verbessert werden. Hammer lobte beispielhaft die Einrichtung eines Fahrtkostenbudgets für Teilnehmer durch den Landkreis Göttingen oder das Modell der Zielvereinbarung durch die Stadt Göttingen. Sie empfiehlt darüber hinaus eine langfristige Verankerung des Netzwerkes FairBleib auf kommunaler Ebene, um die aufgebauten Beratungs- und Unterstützungsangebote zu erhalten.
Die Leistung des Projekts wurde an drei Fallbeispielen lebendig: Teilnehmer, Projektmitarbeiter und Arbeitgeber berichteten davon, wie es gelungen ist, trotz ausländerrechtlicher Hindernisse individuelle Wege in den Beruf zu finden: Besim Adenovic aus dem Kosovo arbeitet inzwischen als Berufskraftfahrer. Milos Ilic stammt ebenfalls aus dem Kosovo und ist heute Tischlergeselle in einer Tischlerei in Groß Schneen. Die Eheleute Gloria und Benjamin Mutanda-Kongolo haben Arbeit als Erzieherin und Kraftfahrer gefunden. Sie alle waren zwischenzeitlich unmittelbar von Abschiebung bedroht und können heute ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Es wurde deutlich: Dies gelang nur durch große individuelle Anstrengungen der Betroffen, der Projektmitarbeiter und potenzieller Arbeitgeber, sowie durch die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Ausländerbehörden. Die Arbeitgeber forderten von der Politik vor allem einen deutlichen Abbau von bürokratischen Hindernissen für die Einstellung von Flüchtlingen.
Diese Perspektive konnte Angela Bauer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg bestätigen: Entscheidend für den Erfolg der Arbeitsmarktintegration sei die Mitarbeit der Ausländerbehörden. Im Rahmen einer uneindeutigen Rechtslage könnten sie eine Arbeitsaufnahme sowohl ermöglichen als auch verhindern. Dadurch komme Ihnen eine „schwierige Schlüsselfunktion“ für die Arbeitsmarktintegration von Bleibeberechtigten und Flüchtlingen zu.
Aus Hannover richtete Alpetin Kirci die Grüße der niedersächsischen Landesbeauftragten für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf, aus. Er nannte die Reform der Härtefallkommission des Innenministeriums als ein Beispiel für eine neue, von Menschlichkeit geprägte Flüchtlingspolitik. Für die Zukunft sieht er die Umsetzung einer Willkommens- und Anerkennungskultur in den Behörden als ein wesentliches Ziel der Integrationspolitik.
In der abschließenden Podiumsdiskussion zogen Vertreter aus Verwaltung und Integrationsarbeit ihre eigenen Schlussfolgerungen aus der Diskussion und äußerten ihre Wünsche an Bundes- und Landespolitik.
Stadtrat Siegfried Lieske (Dezernent für Jugend, Schule und Ordnung, Stadt Göttingen) betonte die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern von FairBleib. Er sieht in der direkten Arbeit mit den Menschen das Erfolgsrezept des Projekts. Die erste Kreisrätin Christel Wemheuer (Dezernentin für Bauen, Umwelt, Ordnung und Verkehr, Landkreis Göttingen) kritisierte vor allem die kurzfristigen Projektförderungen: Erfolgreiche Projekte wie FairBleib müssten verstetigt werden. Ralf-Rüdiger Thalacker (Fachdienstleister im Fachbereich Soziales, Landkreis Northeim) forderte beim Auslaufen von Bundesprojekten angemessene Übergangszeiten für die Kommunen. Gerhard Walter (Oberbürgermeister, Stadt Herzberg am Harz) plädierte generell für mehr Kontinuität in der Integrationspolitik und lobte die lösungsorientierte und unbürokratische Arbeitsweise des Projekts.
Für die nds. Staatskanzlei skizzierte Dr. Dursun Tan (Leiter des Referats für Grundsatzangelegenheiten) die Bemühungen der Landesregierung um eine Verlängerung des Bleiberechtsprogramms. Er erwähnte auch die geplante Einrichtung von „Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe“ in allen niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten. Dr. Holger Martens (Geschäftsstellenleiter, Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen eG) reichte dies nicht aus: Ihm fehlte eine Berücksichtigung von Migranten und insbesondere Flüchtlingen in den ESF-Förderrichtlinien des Landes Niedersachsen für die kommenden Jahre.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Ita Niehaus. Die freie Journalistin berichtet seit vielen Jahren unter anderem für NDR und Deutschlandradio über die Themen Migration und Integration.
Im Foyer des Rathauses hatten die Projektmitarbeiter Präsentationen über die Arbeitsweisen und Themenbereiche des Projektes aufgebaut: verschiedene Möglichkeiten der Sprachförderung, die Beseitigung von Hemmnissen auf dem Weg zur Beschäftigungserlaubnis, bei Trauma und Therapie, Schulungen für Experten zu Themen des Aufenthaltsrechts und über die Zielgruppe der Roma, sowie die vorhandenen Netzwerkstrukturen wurden anschaulich gemacht.
Das Projekt „FairBleib Südniedersachsen“ unterstützt gezielt Bleibeberechtigte und Flüchtlinge in den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Neben der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen eG (BIGS) sind die Beschäftigungsförderung Göttingen, die Bildungsvereinigung Arbeit und Leben, das Institut für angewandte Kulturforschung und die Jugendhilfe Göttingen beteiligt. Die Projektpartner beraten und unterstützen Betroffene, sensibilisieren Behörden im Hinblick auf ihre Bedürfnisse und werben potentielle Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe.
FairBleib Südniedersachsen ist eines von bundesweit 28 Projekten im Rahmen des Sonderprogramms XENOS (ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt II). Das Projekt wird finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Europäischen Sozialfonds und aus Eigenmitteln der regionalen Projektpartner.
– zur redaktionellen Verwendung freigegeben –